„Klaasohm“-Brauch in der Kritik

Bundesweite Aufmerksamkeit nach Fernsehbericht: „Gewalt gegen Frauen“ künftig nicht mehr Teil des Festes

Beim „Klaasohm“ 2024 waren die Borkumer nicht wie sonst unter sich: Zusätzliche Polizeikräfte, dutzende Journalisten und TV-Teams waren dabei.

Borkum. „Jedes Jahr am Abend des 5. Dezembers feiert die Insel Borkum eine wilde Tradition: das Fest des Klaasohm. Dann laufen sieben schaurig kostümierte Männer durch die Straßen, machen Jagd auf Frauen und versohlen sie mit Kuhhörnern. Auswärtige sind in dieser Nacht nicht so recht erwünscht und Kamera-Teams schon gar nicht. Über den Klaasohm spricht man nicht, heißt es dann.“ So lautet die Ankündigung des Bericht des NDR-Magazins „Panorama – die Reporter“, der bundesweit Kritik an diesem Fest auslösen sollte. In diesem Beitrag, der am 28. November erstmals ausgestrahlt worden ist, wird unter anderem heimlich gedrehtes Filmmaterial gezeigt, in dem Frauen von „Klaasohms“ mit Kuhhörnern geschlagen werden.

In kürzester Zeit wurde über das Thema „Gewaltexzesse auf Borkum“ in allen überregionalen Zeitungen und Medien berichtet. In der Folge wurde die Insel von einem regelrechten „Shitstorm“ heimgesucht. Dazu gehörte auch, dass empörte Touristen spontan ihren Urlaub auf der Insel absagten. Im Mittelpunkt: Der „VerBorkumer Jungens e.V. 1830“, aus dessen Reihen unmittelbar nach Aufkommen des enormen Protestes versichert wurde, die Tradition sofort entschärfen zu wollen. „Der ,Brauch des Schlagens‘ soll künftig nicht mehr Teil des Festes sein“, hieß es. Maxi Rau, Vorsitzender des Vereins – auch Oldermann genannt – erklärte, dass Gewalt gegen Frauen nicht mehr toleriert werde. „Wir als Gemeinschaft haben uns klar dazu entschieden, diesen Aspekt der Tradition hinter uns zu lassen und den Fokus weiter auf das zu legen, was das Fest wirklich ausmacht: den Zusammenhalt der Insulanerinnen und Insulaner“. Zugleich rief die bundesweite Empörung aber auch rund 200 Borkumer Frauen auf die Straße , die auf der Insel für den Erhalt des Brauchs demonstrierten.

Aus dem niedersächsischen Innenministerium hieß es unterdessen: Brauchtum und Tradition seien keine Rechtfertigung für Gewalt an Frauen. So fand das jüngste „Klaasohm“-Fest, das die Borkumer als ihren „höchsten Feiertag“ bezeichnen, denn auch unter verstärktem Polizeieinsatz statt und unter den Augen von zahlreichen Medienvertretern – deren Anwesenheit in den Jahren zuvor nicht gern gesehen war. Fazit 2024: Alles friedlich! Die Herkunft des Festes ist bis heute nicht geklärt. Ähnliche Bräuche gibt es unter anderem auf den Westfriesischen Wattenmeerinseln (Niederlande). Die Borkumer führen ihre Jahrhunderte alte Tradition auf die Walfängerzeit zurück. Seinerzeit hätten die von langen Seereisen zurückgekehrten Männer ihre Frauen, die unterdessen die Geschicke der Insel in der Hand gehabt hätten, mit rauen Umgangsformen zurück an den Herd „komplimentiert“.