Virtueller Rundgang durch Synagoge
Digitale Rekonstruktion gibt Einblicke in das einstige jüdische Gotteshaus von Jever / Dauerausstellung ist fertiggestellt
Mithilfe des Bildes von der verkohlten Brandruine und von historischen Außenaufnahmen wurde das Innere des einstigen Gotteshauses für eine virtuelle Darstellung rekonstruiert. An sechs Stationen – hier die Empore – wird jüdische Geschichte für Besucherinnen und Besucher lebendig. Foto: Reunion Media / GröschlerHaus
Jever. Das einzige Foto vom Innenraum der ehemaligen Synagoge von Jever zeigt eine Brandruine – jenen Zustand der totalen Zerstörung nach dem NS-Novemberpogrom vom 9. November 1938. Dort, wo einst die Synagoge stand, befindet sich heute das Gröschler-Haus als Zentrum für jüdische Geschichte und Zeitgeschichte. Nach umfangreichen wissenschaftlichen Recherchen durch den Arbeitskreis Gröschler-Haus wurde von der Firma Reunion Media (Norden) eine digitale Rekonstruktion der Synagoge erstellt, die Besucherinnen und Besuchern seit Dezember 2013 einen virtuellen Rundgang durch das jüdische Gotteshaus ermöglicht. Die Rekonstruktion komplettiert die im April 2023 eröffnete Dauerausstellung „Die Juden von Jever und ihre Synagoge“. Eingebettet in die Dokumentation des Pogroms entsteht die Synagoge von einst „neu“ – exakt am Ort ihrer Zerstörung. Setzt man die VR-Brille auf, findet man sich unter der großen Kuppel wieder, geht die Treppe hinauf auf die Empore, schaut auf den Thora-Schrein und auf das Lesepult, von dem aus der Rabbiner gesprochen hat.
Um die Rekonstruktion so detailgenau wie möglich zu gestalten, dienten historische Außenaufnahmen und zeitgenössische Beschreibungen wie zum Beispiel die Gottesdienstordnung der Einweihung im November 188o. „Wir haben damit angefangen, dass wir auf einem Foto der Außenansicht die Steine gezählt haben – vertikal und horizontal und uns so an die Größenmaße herangetastet haben“, so Menno Mennenga von Reunion Media. Auch dienten zeitgenössische Beschreibungen als Grundlage. Die Recherchen ergaben zum Beispiel, dass zur Eröffnungsfeier der Synagoge seinerzeit ein bestimmtes Lied gespielt wurde, das nun als Hintergrundmusik der virtuellen Realität dient. „Ein solches Wahrnehmungserlebnis von dem, was das NS-Terrorregime uns genommen hat, schafft Anknüpfungspunkte an das eigene Empfinden. Wenn wir heute durch eine virtuelle Rekonstruktion die Schönheit des Innenraums erleben, schließt sich eine Lücke, die aber gerade dadurch noch klaffender wird, als sie ohnehin schon ist. Ist es nicht gerade jetzt in Deutschland angebracht, einen anderen Zugang zur jüdischen Geschichte und zu ihrer Zerstörung, aber auch gleichzeitig zu den religiös-kulturellen Grundlagen des gegenwärtigen jüdischen Lebens zu ermöglichen?“, so der Arbeitskreis Gröschler-Haus.
Das Gröschler-Haus befindet sich in der Wasserpfortstraße 19 in Jever. Der Eintritt ist frei, Spenden sind erwünscht.