Karl Dall: Ein bewegendes Leben

Von Holger Bloem (Text)

Berühmter Ostfriese starb mit 79 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls – In Emden geboren, in Leer aufgewachsen

Karl Dall: Ein bewegendes Leben

In der November-Ausgabe 2018 widmete das Ostfriesland Magazin Karl Dall ein großes Porträt und ging mit ihm durch die Leeraner Altstadt spazieren.

Karl Dall ist tot! Das teilte seine Familie der Nachrichtenagentur dpa am 23. November mit. Diese Meldung kam letztlich überraschend, auch, wenn es um seine Gesundheit nicht gut bestellt war. Demnach hatte Karl Dall während Dreharbeiten zu der Telenovela „Rote Rosen“ zwölf Tage zuvor einen Schlaganfall erlitten. Er hatte seit Anfang November den Alt-Rockstar Richie Sky in der täglichen ARD-Sendung „Rote Rosen“ gespielt. Während der Dreharbeiten in Lüneburg erlitt er am 11. November einen Schlaganfall mit Hirnblutung, von dem er sich nicht mehr erholte.

Deutschland kannte Karl Bernhard Dall als Komiker, Sänger und Moderator. Als einen, der jahrzehntelang für Spaß im Fernsehen und auf der Bühne sorgte. Mit Formaten wie „Verstehen Sie Spaß?“, „Dall-As“ oder „Insterburg & Co.“ wurde er bekannt. Mit seinem pointiert-frechen Wortwitz zählte der Entertainer – das charakteristische Schlupflid ist sein Markenzeichen – seit Jahrzehnten zu den bekanntesten deutschen Komödianten. Das Quartett „Insterburg & Co.“ – allen voran Ingo Insterburg und Karl Dall als „Könige des gepflegten Schwachsinns“ – prägte in den 1960er- und 1970er-Jahren eine ganze Generation. Begonnen hatte der gebürtige Emder seine Karriere 1967 zusammen mit seinem Leeraner Schulfreund Peter Ehlebracht mit der Komikerband in Berlin, später präsentierte er als Comedian, Moderator, Schauspieler und Sänger diverse TV-Formate und brachte ihm den Ruf ein, „Deutschlands genialster Fernsehunterhalter zu sein“ („Die Zeit“). Seine TV-Zeit ist zwar längst vorüber, trotzdem taucht er immer wieder auf der Mattscheibe auf. Mal ist er eingeladen, mal wird eine seiner frühen „Taten“ wiederholt. „Ich habe zig Einladungen zu irgendwelchen Talkshows und Gastauftritten, doch ich muss nicht mehr alles mitmachen“, sagte er gelassen gegenüber dem Ostfriesland Magazin (s. OMa 11/2018).

In der Stadt Leer kannte man Karl Bernhard Dall als „Kalli Dalli“. Wenn er durch die Straßen der Altstadt schlenderte und alte Bekannte traf, hieß es sofort: „Weißt du noch, wer ich bin?“ Oder: „Weißt du noch, damals...“ Als er am 1. Februar 1941 in Emden das Licht der Welt erblickte, war sein rechtes Auge die ersten drei Wochen verschlossen (Ptosis) und wurde danach zu seinem auffälligsten Markenzeichen. Karl Dall ist neben Otto Waalkes und dem verstorbenen Henri Nannen der berühmteste Ostfriese der jüngeren Vergangenheit. Alle drei verbindet zudem, dass sie in Emden geboren wurden. Doch anders als Komiker Otto und der frühere „Stern“-Chefredakteur Nannen, ist Dall nicht in Emden aufgewachsen – immerhin besucht er Jahre später in seiner Ausbildung zum Schriftsetzer dort wieder die Berufsschule. Als er drei Monate alt war, ist die Familie im Kriegsjahr 1941 evakuiert worden. Seitdem hat er nie mehr in Emden gewohnt, sondern nach dem Krieg überwiegend in Leer, wo sein Vater Schuldirektor war. Keine leichte Zeit für ihn. Karl Dall verstand sich früh als Freigeist und Paradiesvogel. „Ich werde ungern eingeengt. Ich habe immer das Maul aufgemacht. Es gibt viele Leute, die kuschen und angepasst sind. Ich bin den anderen Weg gegangen und hatte auch Erfolg.“ Aber dieser Weg ist steinig. Schon in der Schule eckt Karl mit seiner Art an – und mit seinem Aussehen.

Nach den ersten Angriffen der englischen Bomber auf die Seehafenstadt Emden wurde die Lehrerfamilie Dall, seine Mutter Johanna war Handarbeitslehrerin und sein Vater Schuldirektor, evakuiert. Nach dem Krieg verschlug es die sechsköpfige Familie zunächst in die alte Heimat des Vaters: In einem Gasthof bei Hoya an der Weser bezog sie drei Zimmer. Hier wurde Karl Dall 1948 auch eingeschult. Im Jahr 1950 zog die Familie nach Leer um. Vater Karl kam wieder in den Schuldienst und wurde Rektor einer Leeraner Schule. Die zerbombte Ruine in Emden verkauften „meine Eltern für ‘n Appel und ‘n Ei und bauten für 12000 Mark ein neues Haus“, mit Plumpsklo, Waschküche und Kachelöfen in der Leeraner Friedrich-von-Bodelschwingh-Straße (Anm. d. Red.: heute Bethelstraße). Nach dem erfolglosen Abgang von der Mittelschule absolvierte Karl Dall eine Lehre als Schriftsetzer in der Druckerei Rautenberg in Leer. Nach einem kurzen Gastspiel bei der Bundeswehr, das Karl Dall aus gesundheitlichen Gründen als „untauglich“ nach zweieinhalb Wochen vorzeitig wieder beenden musste, arbeitete er ein halbes Jahr noch als Gehilfe bei Rautenberg weiter. Eines Tages bekam er Post von seinem alten Schulfreund Peter Ehlebracht, beide kannten sich, seitdem sie elf Jahre alt waren, aus Berlin: „Hallo Karl! Habe Komfort-Wohnung in der Kreithstraße. Arbeite als Bühnenbildner am Forum-Theater. Hier gibt es ungeahnte Möglichkeiten! Gruß, Peter“ Also auf nach Berlin! In der Kneipenszene von Kreuzberg, in der er im Nebenjob kellnerte, um seine Saufschulden zu begleichen, lernte er später Ingo Insterburg kennen, der 1959 seinen damaligen WG-Mitbewohner Klaus Kinski als „Guitar-Ingo“ bei dessen Brechtballaden begleitete. „Er war noch gar nicht in der komischen Ecke. In die habe ich ihn erst getrieben.“ Zusammen mit Peter Ehlebracht und Jürgen Barz gründeten sie 1967 schließlich die Komikergruppe „Insterburg & Co.“. Das Quartett kultivierte bis zu seiner Trennung im Jahr 1979 die „Kunst des höheren Blödsinns“.

Als sich die Gruppe trennte, startete Dall schließlich eine Solokarriere als Sänger, Komiker, Schauspieler und Fernsehmoderator. In der von Kurt Felix und Ehefrau Paola präsentierten Sendung „Verstehen Sie Spaß?“, die in der ARD ausgestrahlt wurde, war er von 1983 bis 1990 unter anderem als chaotischer Filmvorführer und Spaßtelefonierer zu sehen. Bei RTL hatte seine Talkshow „Dall-As“ 1985 Premiere und wurde 14-tägig immer samstags um 22 Uhr ausgestrahlt – es war die erste Talkshow des deutschen Privatfernsehens mit zum Teil über vier Millionen Zuschauern pro Sendung. „Es wurde einfach chic, von Karl Dall verarscht zu werden“, blickte er zurück. So verließ Roland Kaiser wutentbrannt die Sendung, nachdem Dall zu ihm gesagt hatte: „Na, sing schon mal, damit wir es hinter uns haben!“ – ein TV-Skandal! Nach seinem Wechsel zu SAT.1 setzte Dall die Sendung von 1992 bis 1994 dort unter dem Titel „Jux und Dallerei“ fort. Ab 1991 moderierte er zwei Jahre lang die Sendung „Koffer Hoffer“ bei Tele5. Im Jahr 1996 war er Mitglied im Anfangsensemble der von Rudi Carrell produzierten Sendung „7 Tage, 7 Köpfe“ auf RTL. Des Weiteren moderierte er bei RTL die Sendungen „Karls Kneipe“ (1997), Die „Karl Dall-Show“ (1999–2000) sowie bei Kabel1 „Weißt Du noch? Das Retro-Quiz“ (2003–2004).

Ostfriesland hat der Star in all den Jahren nie vergessen. 1973 kaufte er zusammen mit seiner Frau Barbara, die er 1969 in Berlin kennengelernt und 1971 geheiratet hatte, den Galerieholländer in Möhlenwarf bei Weener und ließ ihn zu einer Wohnwindmühle umbauen. Die Mühle wurde bis zum Wiederverkauf im Jahr 2010 zum zweiten Zuhause der Familie (Tochter Janina kam am 18. Juni 1974 zur Welt), die auch häufig auf Borkum und Norderney ihren Urlaub verbrachte, später dann allerdings vorzugsweise auf Sylt.