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26. April 2023, 15:24 Uhr
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Von Emden aus nach Norwegen

Ab Juni verbindet das Fährschiff MS „Romantika“ die Seehafenstadt mit Norwegens südlicher Metropole Kristiansand

Die Fähre MS „Romantika“ passiert auf ihrem Weg vom niederländischen Eemshaven ins norwegische Kristiansand Ostfrieslands größte Insel: Borkum. Knapp 18 Stunden braucht das Schiff für die rund 307 Seemeilen (etwa 569 Kilometer) lange Strecke durch die Nordsee.

Die Fähre MS „Romantika“ passiert auf ihrem Weg vom niederländischen Eemshaven ins norwegische Kristiansand Ostfrieslands größte Insel: Borkum. Knapp 18 Stunden braucht das Schiff für die rund 307 Seemeilen (etwa 569 Kilometer) lange Strecke durch die Nordsee. ©

Emden/Kristiansand. Seit April vergangenen Jahres verbindet die Fähre MS „Romantika“, eine sogenannte „Cruisefähre“, ein Kreuzfahrtschiff im fest getakteten Liniendienst, dreimal in der Woche – immer dienstags, donnerstags und sonntags – die Niederlande mit Norwegen; retour geht es mittwochs, freitags und montags (s. OMa 7/2022). Und so heißt denn auch die Reederei, die es gechartert hat: „Holland Norway Lines BV“ (HNL) mit Sitz im niederländischen Winsum bei Groningen. Sie ist die erste Fährgesellschaft, die auf der Nordsee zwischen Eemshaven und Kristiansand (nicht zu verwechseln mit Kristiansund im Norden der norwegischen Provinz Møre og Romsdal!) fährt. Rund 18 Stunden benötigt das knapp 190 Meter lange Schiff für die 307 Seemeilen lange Strecke. Doch damit ist nun vorerst Schluss. Denn ab dem 1. Juni nimmt die Fähre von Emden aus Kurs auf Norwegen. So wird für Ostfriesen die Reise über die Nordsee nach Skandinavien zum Katzensprung.

Denn das erst im Jahr 2020 gegründete Start-up-Unternehmen „Holland Norway Lines“ hatte in Eemshaven in den vergangenen Monaten mit großen Problemen zu kämpfen und wurde immer wieder vom Anleger im schmalen Beatrixhaven, in dem vor und hinter dem Schiff jeweils nur wenige Meter Platz blieben, verdrängt. Hintergrund soll der Boom der Offshore-Windkraftindus-trie sein. Für die wird der für HNL gedachte Liegeplatz benötigt. Die Reederei, die die von der estnischen Tallink-Gruppe für zunächst drei Jahre gecharterte „Romantika“ – mit der Option auf Verlängerung um zwei weitere Jahre – nutzt, hatte deshalb mit zum Teil erheblichen Unterbrechungen und Stornierungen für den Fährdienst nach Norwegen zu kämpfen. Mit mehr als 100000 Fahrgästen im ersten Betriebsjahr nutzte die Reederei als Anleger den Schwerlastkai in Eemshaven und hatte hierfür bis Oktober 2022 ein Vorrangrecht, das aber auslief. So mussten insgesamt 16 Reisen abgesagt werden, heißt es.

„HNL hatte einen vorrangigen Vertrag bis Oktober vergangenen Jahres“, betont Hafensprecher Tim Lambeck. „HNL wusste von den ersten Gesprächen im Jahr 2020, dass der Vertrag auslaufen würde, dass der Kai ab Januar 2023 mit anderen vorfahrtsberechtigten Schiffen geteilt werden und man deshalb einen eigenen Kai bauen müsste. Das kam nicht überraschend.“ So guckte sich das junge Unternehmen intensiv nach alternativen Häfen um, um „den Reisenden Regelmäßigkeit und Berechenbarkeit bieten und damit wieder Abfahrten garantieren“ zu können. So wurde es schließlich in Emden fündig. Doch bevor die Fähre in der Seehafenstadt an- und ablegen kann, muss zunächst die Infrastruktur dafür geschaffen werden. Deshalb wird die Fähre noch bis Ende Mai von Cuxhaven aus verkehren. In Emden wird das Schiff dann im Außenhafen in der Verlängerung zum Borkumkai festmachen. Eine entsprechende Absichtserklärung sei mit den beteiligten Akteuren unterzeichnet worden. Ob die Linie nochmals nach Eemshaven zurückkehren wird, ist derzeit unklar. HNL prüfe gemeinsam mit der AG-Ems, NPorts und der Stadt Emden die weitere Entwicklung in Emden. Emdens Oberbürgermeister Tim Kruithoff (parteilos) jedenfalls sprach von einem Glücksfall für die Stadt.

Die Initiative zur Gründung der „Holland Norway Lines“ basiert auf gründlicher Marktforschung in Norwegen und den Niederlanden. Der Niederländer Bart Cunnen, der zwischen 1997 und 2004 als „General Manager Travel“ für die schwedische „Stena-Line“ arbeitete, und sein Kompagnon, der kaufmännische Geschäftsführer Patrick America (Chief Financial Officer), beide zugleich auch Anteilseigner von HNL, fanden in der Branche schnell Mitstreiter: Logistik-Unternehmen und Hafenbetreiber beispielsweise. „Our senior management team has tons of experience“, sagte Cunnen gegenüber dem Ostfriesland Magazin nicht ohne Stolz und verwies auf den „tonnenschweren Erfahrungsschatz“ des Managements. Wohl nur so konnte das neue Unternehmen in Eemshaven innerhalb kürzester Zeit auf einem sieben Hektar großen Gelände quasi aus dem Nichts einen Fährterminal aus dem Boden stampfen. Allein in Eemshaven entstanden 50 neue Arbeitsplätze – insgesamt 200 sind es an Bord und in Kristiansand.

In dieser Zeit kam ihm auch bereits die Idee einer Fährlinie zwischen den Niederlanden und Norwegen. Doch die größte Schwierigkeit war, eine geeignete Fähre mit genügend Passagierkabinen und einem ausreichend großen Schiffsdeck für Autos und Lastwagen zu finden. Zudem sollte das Schiff einen gewissen Luxus bieten, um Touristen zur „Minikreuzfahrt“ an Bord zu locken. Bart Cunnen war schon 20 Jahre auf der Suche, bis ihm schließlich die Corona-Pandemie in die Hände spielte. Im Zuge der Pandemie nämlich wurden Grenzen innerhalb Europas geschlossen und so kam auch der Fährverkehr der Reederei „Tallink-Line“ zwischen dem lettischen Riga und der schwedischen Hauptstadt Stockholm zum Erliegen. Auch für die MS „Romantika“, unter der Baunummer 433 auf der finnischen Werft Aker Finn-yards in Rauma im Jahr 2002 gebaut, begann damit eine Irrfahrt: Zunächst wurde sie noch für Rückholaktionen deutscher Bürger aus den baltischen Staaten eingesetzt, wurde danach aber Ende September 2020 in Tallinn, der Hauptstadt Estlands, schließlich aufgelegt. Im Jahr 2021 kreuzte die Fähre noch im Mittelmeer und diente danach während der UN-Klimakonferenz in Glasgow als Hotelschiff, ehe sie in Tallinn wieder an die Kette gelegt wurde. Letztlich war die „Romantika“ genau das Schiff, das Bart Cunnen stets im Sinn gehabt hatte: Es ist 193 Meter lang, 29 Meter breit und hat einen Tiefgang von 6,60 Metern. Auf insgesamt zehn Decks befinden sich 170 Kabinen für Passagiere. Die Passagierkapazität des Schiffes ist mit 2500 Personen angegeben – es sollen aber maximal 1500 Passagiere an Bord gelassen werden.

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